Aachen 2018 – ein Resumee

Das diesjährige Aachener Reitturnier liegt nun hinter uns und ohne jede einzelne TV-Übertragung mitverfolgt zu haben, konnte ich trotzdem ein Fazit ziehen:

Es waren durchaus schöne Ritte in allen gezeigten Sparten zu sehen. Doch es gab auch die weniger schönen Szenen von mit harter Hand aufgerollten Pferdehälsen und resigniert drein schauenden Vierbeinern. Solche Fotos haben es dieses Jahr sogar bis in die Sportschau geschafft und wurden im sozialen Netzwerk hoch und runter geteilt. Aber da die Welt nicht nur schwarz-weiß ist, gab es natürlich auch noch einiges dazwischen.

Was heißt das nun für die Reiterei?

Es wird wohl immer zwei extreme Lager geben: die einen, in denen schon bei dem Wort „Gebiss“ die Übelkeit aufsteigt und die anderen, die sagen, Turnierpferde sind Hochleistungssportler, die müssen auch mal angepackt werden.

Nur lassen sich Reiter so einfach katalogisieren? In die skrupellosen Sportreiter und die Leckerli-fütternden Freizeitschmuser?

Sollte man nicht viel differenzierter an das Thema heran gehen?

Es ist in meinen Augen nicht verwerflich, einem Pferd auch mal Leistung abzuverlangen. Je nachdem, um was es sich dabei konkret handelt, fördert das die Fitness und damit Gesundheit des Pferdes (zB. Dressurtraining, Gymnastikspringen, Galopptraining im Gelände etc.), sein Vertrauen (zB. Verladetraining), seine Koordination (zB. Trail- Hindernisse) und nicht zuletzt verschafft es dem Pferd Abwechslung und verhilft ihm dadurch zu mehr psychischer Ausgeglichenheit.

Man kennt es von sich selbst: Immer mal die eigene Komfortzone verlassen, erweitert den eigenen Horizont und die Fähigkeiten. Man wird selbstsicherer, selbstverständlicher und selbstbewusster. Den Pferden geht es genauso. Sie regelmäßig mit Aufgaben zu konfrontieren, hält sie geistig wach und körperlich fit.

Dabei gilt es, das richtige und für das individuelle Pferd passende Maß zu finden.

Extreme sind hier eigentlich immer suboptimal. Ich vermag nicht zu beurteilen, ob ein Pferd, das fünfmal die Woche in der Bahn gearbeitet wird (ob nun gut oder schlecht, lasse ich mal außen vor) und fürs nächste Turnier pauken muss, unglücklicher ist, als eines, das nur auf der Weide steht und dessen einzige Aufgabe darin besteht, den Weg vom Gras zum Wasserbottich und wieder zurück zu bewältigen.

Aus Erfahrung kann ich jedoch sagen, dass es sicher Pferde mit unterschiedlichen Bedürfnissen gibt, was Art und Umfang der abverlangten Arbeit angeht. Und genau da ist der Mensch in der Pflicht:

Sein Pferd und dessen körperlichen und mentalen Zustand kritisch zu beobachten und eine Kurskorrektur vorzunehmen, wenn Hinweise erkennbar werden, dass es dem Pferd – warum auch immer – anhaltend nicht gut geht.

Nochmal zur Erinnerung: Es lässt sich nicht hundertprozentig vermeiden, dass ein Pferd sich in unserem Umfeld gelegentlich unwohl fühlt. Man denke hier an ein Pferd mit Angst vorm Verladen. Steht es vorm Hänger, hat es Stress, und zwar gewaltig. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Frage ist aber: Wie geht man damit um? Zwingt man das Pferd mit Druck und Härte in den Hänger oder entlässt man es aus der Situation, wenn es sich ein klein wenig an der Rampe entspannt hat, um es später nochmal zu versuchen?

Ähnlich ist es beim Turnier. Wenn Schwierigkeiten auftreten, muss man sich entscheiden, wo die eigenen Prioritäten liegen: Ist die vermeintliche Platzierung wichtiger, drückt man das Pferd eben durch die Aufgabe durch, traktiert es bereits auf dem Abreiteplatz, um es schön elektrisch zu machen und legt dann im Nachgang an die Prüfung nochmal eine Schippe Sporen und Gerte nach, damit die Ansage fürs nächste Mal gleich klar ist.

Nimmt man die Zeichen des Pferdes aber wahr, schaltet man einen Gang zurück und versucht zu deeskalieren, reitet die Prüfung weniger auf Attacke und verzichtet diesmal vielleicht auch ganz, wenn der eigene Anspruch aufgrund der aktuellen Situation ohnehin nicht erreicht werden kann.

Diese Entscheidung trifft aber niemand erst, wenn sie nötig ist, sondern schon lange vorher. Denn sie ist letztlich Ausdruck einer gelebten Grundhaltung dem Pferd gegenüber, ob ich es als Persönlichkeit mit eigenen Bedürfnissen respektiere oder nicht. Nur wenn ich das tue, macht Reiten Spaß….allen Beteiligten.

Aachen hat dieses Jahr gezeigt, dass nicht nur die Zahl derer wächst, die sich und ihrem Pferd Freude an der Arbeit zugestehen, sondern auch der Zuschauer, die unfaires, grobes Reiten nicht länger tolerieren. Das lässt hoffen für die Zukunft….

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