Vergleichsfotos… oder Nachher ist alles besser – vielleicht!?

Man kennt es aus der Werbung in Zeitschriften oder im Fernsehen….die neusten Wundermittel gegen Übergewicht, Haarausfall und sonstige Befindlichkeiten werden mit spektakulären Vorher-nachher-Bildern untermauert….Einmal ein Pülverchen geschluckt…zack… 20kg weg. Einfach so!!

Bei näherer Betrachtung beschleichen einen jedoch Zweifel, ob das alles mit rechten Dingen zugeht.

Ähnliche Gefühle regen sich bei mir mitunter, wenn ich im Internet Vorher-nachher-Fotos von Pferden sehe, mit denen Trainer, Therapeuten und sonstige Fachkräfte ihre Kompetenz demonstrieren wollen. Keine Frage: Werbung darf und muss sein fürs Geschäft. Und Fotodokumentationen sind ein tolles Mittel, um Therapie- und Trainingsverläufe festzuhalten. Auch können dadurch Dritte ihren Wissensstand erhöhen und dazu lernen, gerade wenn es noch ausführliche Beschreibungen zu den Bildern gibt.

Teilweise machen sich wirklich kompetente Leute sogar die Mühe und investieren viel Zeit darin, für interessierte Pferdebesitzer eine Exterieurbeurteilung anzufertigen und den aktuellen Muskelstatus zu analysieren.

Jedoch müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, wenn man auf die Ferne, nur anhand von Fotos beurteilen möchte, ob sich der Zustand eines Pferdes in einer bestimmten Zeit verändert hat.

So ist es unumgänglich für eine seriöse Bildbeurteilung, dass das Pferd sich auf beiden Fotos in derselben Pose befindet und aus identischer Perspektive fotografiert worden ist.

Diese Bilder sind für einen Vergleich absolut ungeeignet, was die Muskulatur angeht. Die Kopf-Hals-Position ist zu verschieden und die Trabphase nicht identisch. Was man allerdings sehen kann: Im unteren Bild ist das Pferd deutlich losgelassener mit ruhigem Takt unterwegs. Oben ist es nur auf der Flucht.

Hier sind die Trabphasen identisch. Im oberen Bild scheint das Pferd „bergab“ zu laufen. Die Kruppe wirkt höher als der Widerrist, im Hals ist ein falscher Knick zu sehen. Die Bemuskelung der Hinterhand im Vergleich zur Vorhand ist schwach. Im unteren Bild ist das Pferd viel geschlossener. Die Kruppe wirkt tiefer, der Brustkorb angehobener, das Becken ist gekippt. Das Genick ist der höchste Punkt und geöffnet. Die Muskulatur von Vor- und Hinterhand ist harmonischer.

Das bedeutet zB im Stehen, jeweils nach rechts bzw links schauend, mit vergleichbarer Kopf-Hals- und auch Beinposition.

Die Bilder eignen sich gut für einen Vergleich. Das Pferd schaut nach links und steht geschlossen. Nicht ganz optimal ist beim untere Foto, dass die Kamera nicht genau waagerecht gehalten wurde. Oberes Bild: Das Pferd wirkt schwer im Brustkorb, der Rumpf hängt nach unten, die Bauchdecke und der Rücken sind schwach, die Kruppe ist gerade und das Becken nicht gekippt. Dadurch stehen die Hinterbeine weit nach hinten heraus. Der Schweif wird wie ein Bleistift gehalten. Das ganze Pferd zeigt deutliche Anzeichen von Verspannungen und Unwohlsein. Unteres Bild: Die Oberlinie im Hals beginnt sich zu entwickeln. Das Pferd wirkt mehr „bergauf“, der Brustkorb gehobener. Das Becken hat sich positiv gekippt. Dadurch rundet sich die Kruppe, die Schweifhaltung entspannt sich und die Hinterbeine stehen mehr unterm Körper.

Ist das Pferd einmal von links, und einmal von rechts dargestellt, kann sich eine unterschiedliche Muskelsituation allein aus dem Umstand ergeben, dass kein Körper absolut symmetrisch ist.

Die Halshöhe beeinflusst den Verlauf der Rückenlinie. Hat das Pferd den Kopf gesenkt, wird Zug auf das Nacken-Rücken-Band ausgeübt und der Rücken hebt sich an. Der an sich vielleicht vorhandene Senkrücken ist wie weggezaubert, zumindest solange, das Pferd den Kopf nicht mehr anhebt.

Und auch die Position der Gließmaße wirkt sich auf das Erscheinungsbild der Muskulatur aus.

Das möchte ich mit den folgenden Bildern verdeutlichen.

Hier sieht man jeweils den Bereich hinter der linken Pferdeschulter. Vorbildlich wurde aus derselben Perspektive bei identischem Lichteinfall fotografiert. Auf dem oberen Bild ist die Muskulatur um den hinteren Teil des Trapezmuskels jedoch viel mehr eingefallen als unten.    Nun könnte man meinen, die Veränderung sei auf den tollen Trainer, die Wunderhände der Physio und/oder die heilenden Akupunkturnadeln zurückzuführen (die Liste kann beliebig erweitert werden!).

Die Lösung ist jedoch viel einfacher:

Im oberen Foto hat das Pferd sein linkes Vorderbein weiter zurück, im unteren Foto nach vorn gestellt.

Die Veränderung in der Muskulatur erklärt sich mit der Funktion des (hinteren Teils des) Trapezmuskels. Dieser agiert als Vorführer und Heber der Gesamtgliedmaße, aktiviert sich also, wenn das Vorderbein dieser Seite nach vorn geführt wird.

Dadurch wirkt die Muskulatur dort praller.

Diese Tatsache kann man sich übrigens auch zunutze machen, um seinem Pferd auf einem Foto ganz ohne Photoshop mehr Muskelmasse zu verpassen. Fotografiert man das Pferd nach einem anspruchsvollen Training und die Muskulatur ist gut mit Blut versorgt, sieht es voluminöser und bemuskelter aus. Deswegen pumpen Bodybuilder direkt vor dem Wettbewerb auch nochmal kräftig Gewichte.

Vergleichsbilder sollten immer das gesamte Pferd und nicht nur eine bestimmte Körperstelle zeigen. Nur so wird deutlich, ob zB der Hals auf dem einen Bild vielleicht ganz anders getragen wird, das Bild jeweils aus derselben Perspektive aufgenommen wurde oder der vermeintliche Muskelzuwachs vielleicht einfach nur ein Mehr an Fett ist.

Die Frage Fett oder Muskulatur lässt sich nämlich anhand eines einzelnen Körperteils per Foto nicht so leicht beantworten, sondern nur mit Blick auf die restliche Muskulatur des Pferdes. Füttert man beispielsweise ein mageres Pferd auf, bei dem man die gesamte Wirbelsäule klar erkennen konnte, wirkt der Bereich der Rückenmuskulatur durch ein Mehr an Fett natürlich gleich viel praller und kräftiger. Hat sich aber gleichzeitig der Bauchumfang deutlich mit vermehrt und der Bauch hängt nun kugelig nach unten, spricht das ganz klar gegen einen reelen Muskelzuwachs. Denn eine stärkere Bemuskelung am Rücken hat immer auch eine Stärkung und Straffung der Bauchmuskulatur zur Folge.

Rechts im Bild sieht man eine deutliche Straffung der Bauchdecke sowie eine entspanntere Oberlinie. Im linken Bild ist der zwar geschlossene, aber sehr breite Stand der Vorderbeine auffällig, den das Pferd immer eingenommen hat, um sich zu stabilisieren. Die aufgekrümmte Oberlinie hinter der Sattellage deutet darauf hin, dass das Pferd versucht, bestimmte Körperteile zu entlasten.

Genauso wächst der lange Rückenmuskel gemeinsam mit dem Trapezmuskel. Ist der Trapezmuskel im Nachher-Bild also voller, der übrige Rückenmuskel aber nicht, stimmt etwas nicht.

Letztlich kann auch nur bei einem Ganzkörperfoto beurteilt werden, ob es sich bei beiden Pferden tatsächlich um dasselbe Tier handelt.

Sieht man immer nur einzelne Körperregionen im Vorher-nachher-Vergleich, hat das Ganze schnell einen Beigeschmack von Effekthascherei und Nepper-Schlepper-Bauernfänger und wirkt nicht sehr seriös. Der unerfahrene Pferdebesitzer wird vielleicht auf solche Fotos anspringen. Letztlich sagen solche Bilder über die vorhandene Kompetenz aber nur sehr wenig aus. Auskunft darüber gibt nur das Pferd selbst.

 

 

 

Aachen 2018 – ein Resumee

Das diesjährige Aachener Reitturnier liegt nun hinter uns und ohne jede einzelne TV-Übertragung mitverfolgt zu haben, konnte ich trotzdem ein Fazit ziehen:

Es waren durchaus schöne Ritte in allen gezeigten Sparten zu sehen. Doch es gab auch die weniger schönen Szenen von mit harter Hand aufgerollten Pferdehälsen und resigniert drein schauenden Vierbeinern. Solche Fotos haben es dieses Jahr sogar bis in die Sportschau geschafft und wurden im sozialen Netzwerk hoch und runter geteilt. Aber da die Welt nicht nur schwarz-weiß ist, gab es natürlich auch noch einiges dazwischen.

Was heißt das nun für die Reiterei?

Es wird wohl immer zwei extreme Lager geben: die einen, in denen schon bei dem Wort „Gebiss“ die Übelkeit aufsteigt und die anderen, die sagen, Turnierpferde sind Hochleistungssportler, die müssen auch mal angepackt werden.

Nur lassen sich Reiter so einfach katalogisieren? In die skrupellosen Sportreiter und die Leckerli-fütternden Freizeitschmuser?

Sollte man nicht viel differenzierter an das Thema heran gehen?

Es ist in meinen Augen nicht verwerflich, einem Pferd auch mal Leistung abzuverlangen. Je nachdem, um was es sich dabei konkret handelt, fördert das die Fitness und damit Gesundheit des Pferdes (zB. Dressurtraining, Gymnastikspringen, Galopptraining im Gelände etc.), sein Vertrauen (zB. Verladetraining), seine Koordination (zB. Trail- Hindernisse) und nicht zuletzt verschafft es dem Pferd Abwechslung und verhilft ihm dadurch zu mehr psychischer Ausgeglichenheit.

Man kennt es von sich selbst: Immer mal die eigene Komfortzone verlassen, erweitert den eigenen Horizont und die Fähigkeiten. Man wird selbstsicherer, selbstverständlicher und selbstbewusster. Den Pferden geht es genauso. Sie regelmäßig mit Aufgaben zu konfrontieren, hält sie geistig wach und körperlich fit.

Dabei gilt es, das richtige und für das individuelle Pferd passende Maß zu finden.

Extreme sind hier eigentlich immer suboptimal. Ich vermag nicht zu beurteilen, ob ein Pferd, das fünfmal die Woche in der Bahn gearbeitet wird (ob nun gut oder schlecht, lasse ich mal außen vor) und fürs nächste Turnier pauken muss, unglücklicher ist, als eines, das nur auf der Weide steht und dessen einzige Aufgabe darin besteht, den Weg vom Gras zum Wasserbottich und wieder zurück zu bewältigen.

Aus Erfahrung kann ich jedoch sagen, dass es sicher Pferde mit unterschiedlichen Bedürfnissen gibt, was Art und Umfang der abverlangten Arbeit angeht. Und genau da ist der Mensch in der Pflicht:

Sein Pferd und dessen körperlichen und mentalen Zustand kritisch zu beobachten und eine Kurskorrektur vorzunehmen, wenn Hinweise erkennbar werden, dass es dem Pferd – warum auch immer – anhaltend nicht gut geht.

Nochmal zur Erinnerung: Es lässt sich nicht hundertprozentig vermeiden, dass ein Pferd sich in unserem Umfeld gelegentlich unwohl fühlt. Man denke hier an ein Pferd mit Angst vorm Verladen. Steht es vorm Hänger, hat es Stress, und zwar gewaltig. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Die Frage ist aber: Wie geht man damit um? Zwingt man das Pferd mit Druck und Härte in den Hänger oder entlässt man es aus der Situation, wenn es sich ein klein wenig an der Rampe entspannt hat, um es später nochmal zu versuchen?

Ähnlich ist es beim Turnier. Wenn Schwierigkeiten auftreten, muss man sich entscheiden, wo die eigenen Prioritäten liegen: Ist die vermeintliche Platzierung wichtiger, drückt man das Pferd eben durch die Aufgabe durch, traktiert es bereits auf dem Abreiteplatz, um es schön elektrisch zu machen und legt dann im Nachgang an die Prüfung nochmal eine Schippe Sporen und Gerte nach, damit die Ansage fürs nächste Mal gleich klar ist.

Nimmt man die Zeichen des Pferdes aber wahr, schaltet man einen Gang zurück und versucht zu deeskalieren, reitet die Prüfung weniger auf Attacke und verzichtet diesmal vielleicht auch ganz, wenn der eigene Anspruch aufgrund der aktuellen Situation ohnehin nicht erreicht werden kann.

Diese Entscheidung trifft aber niemand erst, wenn sie nötig ist, sondern schon lange vorher. Denn sie ist letztlich Ausdruck einer gelebten Grundhaltung dem Pferd gegenüber, ob ich es als Persönlichkeit mit eigenen Bedürfnissen respektiere oder nicht. Nur wenn ich das tue, macht Reiten Spaß….allen Beteiligten.

Aachen hat dieses Jahr gezeigt, dass nicht nur die Zahl derer wächst, die sich und ihrem Pferd Freude an der Arbeit zugestehen, sondern auch der Zuschauer, die unfaires, grobes Reiten nicht länger tolerieren. Das lässt hoffen für die Zukunft….

Aus dem Takt?!

Manchmal hört oder liest man den Begriff, das Pferd geht „taktunrein“. Was bedeutet das eigentlich?

Geht man nach den Richtlinien der FN und schaut in die Ausbildungsskala, wo der Takt die erste der sechs elementar wichtigen Säulen der Pferdeausbildung darstellt, wird Takt als „das zeitliche und räumliche Gleichmaß in den drei Grundgangarten in Schritten, Tritten und Sprüngen“ definiert.

Jede Gangart hat dabei ihren eigenen Rhythmus, d.h. der Schritt ist ein Viertakt, der Trab ein Zweitakt und der Galopp ein Dreitakt.

Taktunrein geht ein Pferd, wenn der natürliche Rhythmus der jeweiligen Gangart gestört ist und die Fußfolge des Pferdes nicht mehr mit der jeweiligen Grundgangart übereinstimmt.

Oft zeigen erst Standbilder diesen Fehler. Um ernsthaft beurteilen zu können, ob es sich um eine Momentaufnahme oder ein dauerhaftes Problem oder gar falsches Training handelt, lohnt es sich, mehrere Sequenzen zu betrachten und nicht nur ein einziges Bild.

 

Der Schritt

Der Schritt ist eine schreitende Bewegung ohne Schwebephase, bei der jedes Bein diagonal-lateral einzeln bewegt wird. Zwei Beine machen also nie synchron diesselbe Bewegung. Die Fußfolge wäre vorne links – hinten rechts – vorne rechts – hinten links.

Bei einem guten Schritt bilden das Vorder- und Hinterbein derselben Seite ein deutlich sichtbares V, in dem Moment, wenn das Hinterbein kurz vorm Auffußen- und das gleichseitige Vorderbein kurz vorm Abheben ist.

Hier ist das V klar zu erkennen, das sich bei einem taktklaren Schritt abwechselnd auf beiden Seiten bildet. Copyright: Arlette Magiera

Ist das nicht der Fall und hat der Schritt die Tendenz, dass die gleichseitigen Beine ihre Bewegung angleichen, spricht man von passartigem oder passverschobenem Schritt. Bewegen sich beide gleichseitigen Beine völlig synchron, geht das Pferd Pass.

Was beim Gangpferd vielleicht erwünscht ist (zB im Rennpass), ist bei einem dreigängigen Pferd absolut fehlerhaft.

Gründe für eine solche Taktverschiebung sind

  • ein verspannter Rücken, der nicht (mehr) locker in der Bewegung mitschwingen kann oder allgemein mangelhafte physische Losgelassenheit;
  • mangelnde psychische Losgelassenheit;
  • zu deutliche Zügeleinwirkung;
  • unphysiologische Kopf-Hals-Position des Pferdes (absolute Aufrichtung, zu kurzes Zügelmaß, Überzäumung);
  • falsch gewähltes Tempo (zu eilig oder der Versuch zu starker Versammlung).

Um den Schritt taktrein zu halten, ist es daher wichtig, die Anforderung der Situation und dem Pferd individuell anzupassen. Der Pferdehals macht im Schritt bei jedem Vorfußen eines Vorderbeins eine deutliche Nickbewegung. Fehlt diese, kann der Rücken nicht locker sein. Das Pferd hält dann vielmehr seinen Hals mechanisch fest und bewegt nur noch seine Beine, ohne den gesamten Rumpf in die Bewegung zu integrieren. Die Zügellänge muss diese Nickbewegung daher unbedingt zulassen. Auch muss das Tempo zum jeweiligen Pferd passen. Erst wenn im Wohlfühltempo des Pferdes ein guter Schritttakt erreicht ist, kann man versuchen, die Schrittlänge zu variieren, die Schritte also zu verkürzen oder zu verlängern. Gehen dabei die schreitende Bewegung und der klare Viertakt verloren, passt das Tempo nicht mehr zur momentanen Fähigkeit des Pferdes.

Hat das Pferd sich ersteinmal eine Passtendenz angewöhnt, ist es schwer und mühsam, diese wieder zu korrigieren.

Der Trab

Im Trab bewegt sich das Pferd mit diagonaler Fußfolge im Zweitakt, d.h. das rechte Vorderbein bewegt sich synchron mit dem linken Hinterbein nach vorne ebenso wie das linke Vorderbein synchron mit dem rechten Hinterbein. Dazwischen liegt eine je nach Pferd mehr oder weniger deutliche Schwebephase.

Taktreiner Trab. Die diagonalen Beine sind parallel und die diagonalen Hufe setzen synchron auf dem Boden auf. Copyright: Arlette Magiera

Taktunrein ist der Trab, wenn die diagonale Synchronität nicht mehr eingehalten wird.

Im Extremfall bewegen sich die diagonalen Beinpaare dann nicht mehr parallel, d.h. der Unterarm des Vorderbeins wird nicht mehr parallel zur Röhre des diagonalen Hinterbeins geführt.

Jedoch kann auch bei vorhandener Parallelität von Unterarm und diagonaler Röhre eine Taktverschiebung vorliegen – nämlich dann, wenn ein Vorderbein bereits beginnt aufzufußen oder immernoch auf dem Boden ist, während das diagonale Hinterbein noch oder schon wieder in der Luft ist, oder ein Hinterbein bereits Bodenkontakt hat, während das diagonale Vorderbein noch in der Luft ist.

Die erste, deutlich häufiger auftretende Variante einer Taktversschiebung, bei der das Vorderbein einer Diagonalen zuerst aufsetzt oder später als das Hinterbein wieder abhebt, kann man gerade bei beschlagenen Pferden deutlich hören, wenn das Pferd sich geräuschvoll mit den Hintereisen in die Eisen der Vorderbeine greift. Häufig kommt es hierbei auch zu Ballentritten oder anderen Verletzungen der Vorderbeine, wenn kein Beinschutz getragen wird. Auslöser für diesen Taktfehler ist die Voderhandlastigkeit des Pferdes.

Taktverschiebung – wegen zu hohem Tempo verschiebt sich das Pferd auf die Vorhand. Der linke Vorderhuf steht noch auf dem Boden, während der rechte Hinterhuf schon abhebt. Zwar sind die diagonalen Beine noch parallel, jedoch die Bewegung der Hufe nicht mehr synchron. Copyright: Arlette Magiera

Zunächst einmal ist jedes Pferd von Natur aus vorderhandlastig, lastet also mit mehr Gewicht auf der Vorhand als auf der Hinterhand. Dies allein begründet meistens jedoch noch keine Taktstörung. Denn dann könnte sich so gut wie kein Pferd taktklar im Trab fortbewegen. Es müssen vielmehr noch weitere Umstände hinzukommen.

Als solche kommen in Frage:

  • unpassendes Tempo (zu schnell oder zu langsam);
  • zu tiefe Kopf-Hals-Position (falsches Vorwärts-abwärts);
  • anatomisch sehr ausgeprägte Vorderhandlastigkeit (überbautes Pferd);
  • unpassender, nach vorn rutschender Sattel;
  • spezielle Rassen (Kutschpferdetypen, Kaltblüter);
  • Pferde mit stark ausgeprägter Schubkraft.

Um beim Reiten nicht noch mehr Gewicht Richtung Vorhand zu verschieben und den beschriebenen Taktfehler zu provozieren, muss man also ein zum Pferd passendes Tempo bei angemessener Kopf-Hals-Position wählen. Ein effektives Training sollte zum Ziel haben, die Lastaufnahme der Hinterhand zu verstärken, um das Pferd zu befähigen, seine Vorhand mehr anzuheben und damit zu entlasten. Je mehr sich die Tragkraft der Hinterhand verbessert umso eher wird dieser Taktfehler verschwinden.

Deutlich seltener kann man im Trab eine Taktveschiebung in der Hinterhand beobachten, bei der das Hinterbein des Pferdes vor dem diagonalen Vorderbein auf dem Boden auffußt.

Taktverschiebung in der Hinterhand. Der linke Hinterhuf hat schon fast Bodenkontakt, während der rechte Vorderhuf noch in der Luft ist. Die Lendenpartie und die Hinterhandgelenke sind nicht locker, das Becken nicht ausreichend abgekippt. Copyright: Arlette Magiera

Grund hierfür ist nicht die Vorderhandlastigkeit, sondern eine starke Verspannung im Bereich der Lendenpartie, kurz hinter der Sattellage. Diese bewirkt, dass das Hinterbein nicht locker nach vorne fußen kann, sondern aufgrund der steif gemachten Gelenke im Vergleich zum Vorderbein etwas verkürzt tritt und daher früher als das zugehörige Vorderbein landet. Keinesfalls ist das ein Zeichen für vermehrte Aktivität oder Lastaufnahme der Hinterhand.

Ursache hierfür:

  • kein korrektes über den Rücken arbeiten;
  • zu hohes Tempo;
  • unpassender Sattel (zuviel Druck im hinteren Rückenbereich).

Taktverschiebung in der Hinterhand. Das linke Hinterbein fußt früher als das rechte Vorderbein auf. Das Tempo ist viel zu hoch. Copyright: Arlette Magiera

Bei diesem Taktfehler muss besonderes Augenmerk auf die Lösungsphase gelegt werden, bei der das Pferd losgelassen und mit aufgewölbtem Rücken gehen kann.

Korrekter Trab mit diagonaler Fußfolge. Vorne rechts und hinten links werden zeitgleich auffußen. Copyright: Arlette Magiera

Der Galopp

Der Galopp ist eine gesprungene Gangart im Dreitakt.

Je nach Fußfolge unterscheidet man Links- und Rechtsgalopp, je nachdem, welches gleichseitige Beinpaar die weitere Bewegung nach vorne ausführt.

Beim Rechtsgalopp ist die Fußfolge hinten links – gleichzeitig hinten rechts mit vorne links – vorne rechts – Schwebephase.

Im Linksgalopp ist die Fußfolge entsprechend hinten rechts – gleichzeitig hinten links mit vorne rechts – vorne links – Schwebephase.

Linksgalopp – Das diagonale Beinpaar hinten links / vorne rechts bewegt sich synchron. Copyright: Arlette Magiera

Taktfehler im Galopp entstehen, wenn das diagonale Beinpaar nicht mehr synchron auffußt, sondern hintereinander. Es entsteht ein Vierschlag.

Kommt das Vorderbein zuerst auf den Boden, ist hierfür – ähnlich wie beim Trab – die Vorderhandlastigkeit der Grund. Die Hinterhand springt nicht genug nach vorn unter den Schwerpunkt und nimmt zu wenig Last auf. So kann die Vorhand nicht genug angehoben werden und das Pferd wird dort zu schwer.

Taktverschiebung im Galopp Richtung Vorhand. Das rechte Vorderbein wird vor dem linken Hinterbein landen. Copyright: Arlette Magiera

Gründe hierfür sind:

  • inaktive Hinterhand mit steifen Gelenken
  • behindernder Reitersitz
  • zu niedriges Tempo

Diese Taktverschiebung kann man gut hören. Der Rhythmus hört sich an wie „Kartoffel- Kartoffel-Kartoffel“.

Kommt es zu einem solchen gelaufenen flachen Galopp, sollte man die Hinterhand durch frisches Vorwärtsreiten aktivieren und dann die Biegsamkeit der Gelenke der Hinterbeine durch viele kurze Tempounterschiede erhöhen.

Der Reiter sollte darauf achten, nicht mit beiden Hüftseiten gleichmäßig zu schieben („Sattelauswischen“), sondern mit der inneren Hüfte bewusst groß zu galoppieren. Denn die inneren Beine des Pferdes machen, wie zuvor erwähnt die weitere Bewegung und bewegen sich damit anders als die äußeren Beine. Dem muss der Reiter mit seinem Sitz Rechnung tragen.

Landet hingegen das Hinterbein der synchronen Diagonalen vor dem Vorderbein, deutet dies auf vermehrte Lastaufnahme der Hinterhand hin.

Galopp mit Lastverschiebung nach hinten. Das linke Hinterbein wird vor dem rechten Vorderbein landen. Da das linke Hinterbein weit Richtung Schwerpunkt fußt, kann es den Rumpf des Pferdes anheben. Copyright: Arlette Magiera

Durch starkes Beugen der Hinterbeine kann das Pferd die Vorhand etwas länger in der Luft halten. Was bei Vertretern der klassischen Reiterei als Schulgalopp bezeichnet wird und ausdrücklich erwünscht ist, ist auf dem Turnier nicht gern gesehen, da hier die reinen Gänge gezeigt werden sollen. Jedoch sieht man diese Taktverschiebung auch auf dem Turnier in sauber gesprungenen Pirouetten.

Taktverschiebung Richtung Hinterhand. Das linke Hinterbein wird deutlich vor dem rechten Vorderbein landen. Der Galopp hat deutliche Bergauf-Tendenz. Copyright: Arlette Magiera

 

Weitere Taktverschiebungen

Im Schritt und Trab kann es vorkommen, dass ein Vorder- oder Hinterbein kürzer tritt als das andere. Das Pferd tritt kurz-lang ohne dass eine medizinische Ursache im Sinne einer Lahmheit vorliegt.

Hierfür ist eine zu starke Vorderhandlastigkeit in Kombination mit einer ausgeprägten Händigkeit die Ursache, bei der das Pferd sein Gewicht vermehrt auf einem Vorderbein abstützt. Bedingt durch diese Händigkeit hat das Pferd das Bestreben, sein händiges Vorderbein so lange wie möglich am Boden zu belassen und so schnell wie möglich wieder aufzusetzen. So kann es auf diesem Bein am besten Gewicht abstützen. Der Bewegungsbogen dieses Beins ist verkürzt und wird durch Kurztreten sichtbar. Ähnliches kann man bei einem Menschen beobachten, der einen Krückstock benutzt. Die Seite, auf der er die Krücke nutzt, wird sich ebenfalls verkürzt bewegen. Tritt hingegen ein Hinterbein der händigen Seite kürzer, geschieht das, weil das gleichseitige Vorderbein zu lang am Boden und dem Hinterbein den Weg nach vorne „versperrt“. Das Hinterbein kann dann nur ausweichen oder verkürzt treten.

Taktverschiebung auf die Vorhand. Das rechte Vorderbein steht noch am Boden, das linke Hinterbein ist schon fast in der Luft. Das rechte Hinterbein kann nicht gerade nach vorne fußen, da das rechte Vorderbein im Weg ist und weicht nach innen aus. Die Kopf-Hals-Position ist etwas zu tief, daher verliert das Pferd den Takt. Copyright: Arlette Magiera

Der Text und alle Bilder unterliegen dem Copyright!!!

 

Bestandsaufnahme

26.05.2015

Nachdem unser erster Spaziergangsversuch gestern daran gescheitert ist, dass Zasca dem Neuen lieber tat- und schlagkräftig versuchen wollte klarzumachen, was er von der Konkurrenz hält, habe ich heute einen neuen Versuch gestartet, mit Poseido um die vier Ecken zu gehen.
Sandra war zu Besuch und so nahmen wir ihn in unsere Mitte und marschierten los.

Er war ziemlich aufgeregt, weil er zumindest die letzten 9 Monate – eher länger – nicht im Gelände war. Sehr angenehm war dabei aber, dass er eher stehen bleibt, wenn er unsicher ist, anstatt hysterisch zu werden. Um ihn nicht zu überfordern, habe ich es nach einer Viertelstunde gut sein lassen und bin wieder zum Stall zurück.

Dort wollte ich nun an der Longe eine detaillierte Analyse seines Bewegungsablaufes machen.

Poeido ist ein Linkshänder, d.h. er belastet sein linkes Vorderbein stärker als das rechte und hat linke Hand die Tendenz in die Bahn hineinzufallen. Hier fällt ihm auch die Biegung schwerer und er neigt zum Zulegen, wenn er die Balance verliert.
Die Rückentätigkeit ist eigentlich noch nicht vorhanden. Der Rücken ist fest und unelastisch. Der Schweif wird leicht nach rechts getragen.
Zwar versucht Poseido immer wieder, in die Dehnungshaltung zu kommen, da er dies aber noch nicht aus einer gelösten Oberlinie heraus tun kann, macht er den Hals steif und kommt kurz nach dem Absenken des Halses wieder ruckartig nach oben.

Linke Hand zeigt Poseido schon im Trab eine deutliche Schräglage auf gebogener Linie. Ganz deutlich wird es im Linkgalopp, wo man schon fast Angst haben muss, dass es ihm die Beine wegzieht.
Auffällig und ungewöhnlich ist, dass er auf beiden Händen die Tendenz hat, mit der Hinterhand etwas weiter außen zu laufen. Ich denke, hier wird ein Termin bei der Chiropraktikerin nötig sein. Das wird aber erst Sinn machen, wenn Poseido seinen Zahnarzttermin gehabt hat.

Hier sieht man gut die Schräglage auf der linken Hand, der Pferdekörper ist deutlich nach innen geneigt. Das innere Vorderbein greift nicht gerade nach vorn, sondern schräg unter den Körper. Der äußere Vorderhuf zeigt leicht nach innen Richtung Körperschwerpunkt. Um sich auszubalancieren, hebt Poseido den Kopf an und stellt den Hals fest.

Auf der rechten Hand schiebt Poseido mit seiner Körpermasse nach außen. Dies wird dadurch sichtbar, dass die beiden äußeren Beine aus dem Kreisbogen heraus laufen und auch deutlich nach außen zeigen. Der Schweif steuert nach rechts gegen.

Sehr häufig hat er die Tendenz, sich festzumachen und davonzustürmen. Um das zu verbessern, muss ich immer wieder Ruhe reinbringen, notfalls zum Schritt durchparieren und ihn nicht „heiß“ laufen lassen.

Egal ob bei schnellerem oder ruhigerem Tempo: Immer wieder hat die Hinterhand die Tendenz, nach außen zu schieben.

Neben ersten Übungen an der Hand werde ich ihn zumindest die nächsten 4-6 Wochen longieren und schauen, wie sich sein Bewegungsablauf bis dahin verändert hat.

Am Abend zeichnete Sandra noch ein wunderschönes Bild von Poseido, dass ich Euch nicht vorenthalten möchte.

Einhorn-Alltag

24.05.2015

Am nächsten Tag war das Einhorn noch da und erwartete mich auf dem Paddock, wo es in Fortsetzung der gestrigen Ankunft sehr relaxed  in der Sonne stand.

Ich nahm ihn mit und startete das Putzprogramm.

Da ich denke, dass es sinnvoller und für das Pferd entspannter ist, relativ schnell zum alltäglichen Geschehen überzugehen und keinen ewigen Zirkus wegen kleinster Kleinigkeiten zu veranstalten, machte ich ihn fertig für eine erste Arbeitseinheit. Bewegt werden musste er sowieso.

In diesem Zusammenhang war es an der Zeit für eine erste Bestandsaufnahme. Insgesamt finde ich ihn an Rücken und Hinterhand nur sehr mäßig bemuskelt.

Bei einem regelmäßigen Training, das ihm laut Vorbesitzer die letzten Monate zuteil geworden war,  hätte ich eine bessere Oberlinie und mehr „Rumms hintenrum“ erwartet. Aber gut, das lässt sich ja ändern 🙂

Da ich ohnehin noch keinen passenden Sattel habe, setzte ich Longen- und Handarbeit auf die Trainings-to-do-Liste für die nächsten Wochen.

Also Kappzaum drauf und los in die Halle.

Die hatte Poseido zwar schon gestern Abend gesehen, da war es aber schon dunkel und nun bemerkte er, dass man ja rausgucken kann. Das kannte er nicht und so wollte er auch erstmal nicht auf dem Hufschlag gehen und eierte beim Warmführen in Schlangenlinien wahlweise hinter und neben mir her.

Insgesamt aber alles ganz manierlich. Das änderte sich allerdings schlagartig, als ich ihm mehr Longe gab und ihn nach außen schickte. Wie die wilde Wutz stocherte der stumme Schimmel vorwärts…sehr „spanischer“ Longierstil, dachte ich und hatte ganz schön zu tun, das wilde Geschleuder in ein einigermaßen gesittetes Laufen umzuwandeln. Aber gut, wer kann’s ihm verdenken, nach knapp 5 Stunden Fahrt und der Nacht in einem fremden Stall.

Für die Nerven habe ich hinterher noch entspanntes Stehen in der Halle abgefragt und es für die Einheit gut sein lassen.

Ein alles in allem sehr harmloser 1. Tag.

Poseido – oder: Wie fange ich ein Einhorn?!

23.05.2015

Eigentlich habe ich nicht ernsthaft nach einem neuen Pferd gesucht, nie seitenweise Verkaufsanzeigen gewälzt oder das Internet durchwühlt. Aber manchmal gibt es so etwas wie Schicksal und dann nehmen Dinge ihren Lauf.

Poseido habe ich das erste Mal im Internet im September 2014 gesehen, kurz nachdem er aus Spanien nach Deutschland kam.

Er war schön, keine Frage…und hatte Ausstrahlung, fast schon surreal wie ein Fabelwesen. Aber die innere Stimme, sich das Pferd mal in echt anzuschauen wollte nicht sprechen, noch nicht. Gründe kann ich auch jetzt eigentlich gar nicht benennen. War es der Preis, der Ausbildungsstand…ich weiß es nicht.
Fakt ist, ich habe den Gedanken an ihn verworfen und mir stattdessen ein anderes Pferd angeschaut.

Die Entscheidung das zweite Pferd zu besuchen und Probe zu reiten viel sehr schnell und ich war von ihm sehr begeistert. Ein Termin zur AKU wurde gemacht und dann kam die Ernüchterung. Das Pferd lahmte beim Vortraben.

In der Hoffnung, es habe sich nur vertreten, ließ ich das lahmende Bein röntgen und ein verkalkter Fesselträgerursprung ließ den Traum vom neuen Pferd wie eine Seifenblase platzen.

Blödes Schicksal, dachte ich…

Gefrustet von dem Ergebnis, der vertanen Zeit und Mühe wollte ich zum Thema „neues Pferd“ erstmal gar nichts mehr hören. Mir war immer klar, dass ich nicht unzählige Pferde Probe reiten werde, bis ich endlich das passende gefunden habe. So kam ich noch nie zu einem meiner Tiere.

Irgendwann erinnerte ich mich wieder an Poseido. Mehr als 5 Monate waren vergangen, seit er zum Verkauf angeboten wurde. Vielleicht ist er ja schon längst verkauft, dachte ich.

Wie es der Zufall (wenn man denn an diesen glaubt!) wollte, war er noch da. Und so machte ich einen Termin zum Vor-Ort-Besuch in der Nähe von München aus.

Auf der Fahrt dachte ich noch: Wart mal ab, das gab es schon vorher, dass ein Pferd auf Bildern toll präsentiert wird und in echt aussieht wie Frankensteins buchstäbliches Gesellenstück. Vor seiner Box traf mich dann auch fast der Schlag, aber nicht vor Schreck…mein Hirn funkte nur noch „Gott, is der geil!!“ Vor mir stand ein lebendiges Einhorn!!

In vager Vorahnung, wie die Dinge ihren Lauf nehmen würden, hegte ich ein klein wenig Hoffnung, er würde sich zumindest nicht gut reiten lassen. Irgendwie wehrte sich mein Innerstes noch gegen ein zweites Pferd – vielleicht schlechtes Gewissen Zascandil gegenüber?!

Der harmonischste Ritt meiner Karriere war es auch in der Tat nicht. Der Hengst wollte präzise Anweisungen. Kriegte er sie nicht, lief er einfach geradeaus statt um die Kurve, egal, ob da eine Wand war oder nicht. Auch im Maul war er super sensibel. Einmal zu lange die Hand dran und er quittierte das mit wüstem Kopfgeschüttel. Aber er vermittelte mir ein gutes Gefühl im Sattel.

Daher entschied ich mich, ihn in den TÜV zu schicken.

Wegen des unglücklichen Ausgangs der AKU des ersten Pferdes versuchte ich, meine Euphorie zu bremsen…an der Stelle war ich schon einmal und appellierte ein letztes Mal an mein Schicksal, jetzt die Notbremse zu ziehen, sollte dies tatsächlich nicht MEIN Pferd sein.

Das Schicksal bremste nicht und Poseido ging nicht nur mit einem sehr positiven Ergebnis (Zitat Tierarzt: „So gute AKU’s hab ich selten!!“), sondern auch mit einer Engelsgeduld durch die Untersuchung.

Da man sich gegen höhere Gewalt nicht wehren soll, war der Kauf beschlossene Sache.
Das Einhorn-Taxi musste organisiert werden.

Pfingstsamstag sollte es soweit sein. Toll…..mitten im Feiertagsverehr das Pferd über 450 km durch die Republik gondeln. Egal…ich habe es so gewollt.

Auf der Hinfahrt kam auch bald der 1. Stau. Das ließ wenig Raum für jede Hoffnung auf ein gutes Durchkommen. Aber manchmal kommt es anders als man denkt.

Vor Ort angekommen schnappte ich mir das Einhorn, um ihn noch ein paar Minuten zu bewegen. Die Fahrt war lang und die Ankunftszeit ungewiss. Verladen klappte bis auf ein kurzes Zögern problemlos.

Und siehe da, wenn Engel (oder andere magische Wesen) reisen, ist nicht nur das Wetter gut, sondern auch die Autobahn frei. In rekordverdächtigen 4,75 Stunden kamen zu Hause an.


Poseido wollte erst nicht wirklich aus dem Hänger aussteigen, ließ sich dann aber doch davon überzeugen, dass es bequemer ist, in der Box zu übernachten. Er stieg aus und dann kam…..NICHTS!

Von Zascandil in solchen Situationen wildestes Gekreische gewohnt, hat es dem Einhorn die Sprache verschlagen. Er ließ sich anstandslos ein paar Meter durch die Halle und dann in seine Box führen. Systemoverload, vermutete ich.

Seine Nachbarn haben immerhin dazu beigetragen, dass der Einzug nicht wie ein Stummfilm ablief.

Da war es nun, das Einhorn…so ganz konnte ich es noch nicht glauben. Mal sehen, ob er nach dem Aufwachen immernoch da sein würde…..

Der Sattel – eine unendliche Geschichte

In letzter Zeit habe ich mir einige Gedanken zum Thema „Sattel“ gemacht. Der Sattel sollte zunächst einmal dem Pferd passen – Soweit klar! Er sollte aber auch dem Reiter passen, also hinsichtlich der Größe der Sitzfläche, der Form der Pausche etc., mit anderen Worten auf dessen Anatomie eingerichtet sein und eine lockere korrekte Sitzposition zulassen.

Der Reiter kann glücklicherweise unmittelbar ein Feedback darüber abgeben, ob er sich in einem Sattel wohlfühlt oder nicht. Wenn er sich eingezwängt fühlt, die Beine nach vorne oder hinten gezogen werden und nur mit Anstrengung in eine neutrale Position zu bringen sind oder keine senkrechte Oberkörperposition möglich ist, sollte man sich nach einem anderen Modell umschauen.

Doch wie sieht es mit dem Pferd aus? Der Reiter meint es (hoffentlich) gut und ruft – mangels eigener Fachkompetenz und Erfahrung – einen Fachmann…den Sattler! Am Besten jemanden mit gutem Ruf und Empfehlungen verschiedener Kunden.

Läuft es gut, kommt der Sattler vor Ort, hat mehrere in Frage kommende Modelle dabei und man kann ausgiebig testen. Die Entscheidung wird auf das Modell fallen, in dem man sich am wohlsten gefühlt hat. Vielleicht nimmt der Sattler noch letzte Feinabstimmungen an der Kammerweite oder den Polstern vor, um den Sattel optimal ans Pferd anzupassen. Die große Frage bleibt aber, ob auch das Pferd sich damit wohlfühlt?! Ich behaupte, dass das oftmals durchaus gute Sitzgefühl für den Reiter darüber hinwegtäuscht, dass das Pferd möglicherweise nicht wirklich zufrieden ist mit dem Sattel. Das eigene Feingefühl wird schon dadurch getrübt, dass der Sattler schließlich der Experte sei und die Passform beurteilen könne. Da ist eigene Kontrolle unnötig!

Sehr oft bekomme ich von Kunden auf meine Frage, ob der Sattel denn passe, die Antwort: „Ja, der wurde vom Sattler angepasst!“

Leider muss ich feststellen, dass der angeblich passende Sattel in Wirklichkeit so gar nicht passen mag…..grob geschätzt in 90 % der Fälle ist das so.

 

Hier eine kleine (nicht abschließende) Auswahl der „Problemzonen“:

–          Der Sattel ist zu lang.

In letzter Zeit beobachte ich immer häufiger, dass Leuten ein Sattel mit viel zu großer Sitzfläche verkauft – oder sollte man eher sagen „angedreht“ – wird. Da wird einem zierlichen Haflinger ein 18-Zoll-Sattel verpasst, weil die Dame mit Kleidergröße 38 in keinen 17,5er passen würde. Ob der Sattel dem armen Tier auf der Kruppe hängt, ist ja erstmal egal….

Pferdeosteotherapeuten oder – physiotherapeuten beschreiben den Bereich hinter der Sattellage gern als „Pferde-Problemzone“, wo sehr häufig Blockaden, Verspannungen und schmerzhafte Stellen beim Pferd gefunden werden….Könnte es sein, dass in diesem Bereich drückende Sättel mitverantwortlich dafür sind???

 

–          Der Schwerpunkt stimmt nicht.

Der Schwerpunkt der Sitzfläche sollte mit dem Schwerpunkt des Pferderückens übereinstimmen, denn im Schwerpunkt des Pferdes sollte das Hauptgewicht lasten. Meistens sehe ich Sättel, wo der Schwerpunkt zu weit hinten sitzt. Das mag in gewissem Rahmen im Westernsattel akzeptabel sein, wenn ich bei manchen Manövern à la John Wayne im Sattel sitze. Im traditionellen Sattel hat ein solcher Sitzstil aber nichts verloren.

Gesundheitliche Folgen für das Pferd sind denen eines zu langen Sattels vergleichbar.

Der Reiter muss bei einem solchen Sattel seine senkrechte Position verlassen, um in Balance zu bleiben und wird versuchen, den zu weit hinten sitzenden Schwerpunkt über Spalt- oder Stuhlsitz auszugleichen. Das Reiten über Gewichtshilfen und Körperspannung wird fast unmöglich.

 

–          Die Polsterung ist zu hart.

Häufig wird die Passform von Sätteln mittels Aufpolsterung korrigiert. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das nicht unbegrenzt möglich ist, sondern nur soweit, wie das vorhandene Ledermaterial es zulässt. Dadurch steht man dann irgendwann vor dem Problem, dass die Polster „prall“ gefüllt sind und dadurch knochenhart werden. Das Polster mit dem Finger etwas eindrücken zu wollen, geht nicht.

Der Pferderücken sollte in der Bewegung locker schwingen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein Pferd sich so bewegen wird, wenn ihm ein brettharter Sattel im Rücken hängt. Sicher sollte die Polsterung auch nicht zu weich sein. Denn dann ist keine gleichmäßige Gewichtsverteilung mehr möglich. Aber ein Mindestmaß an Nachgiebigkeit sollten die Polster haben.

 

–          Die Begurtung ist unvorteilhaft angebracht.

Bei vielen Sätteln kommt die hintere Strupfe von schräg hinten oben und kriegt Zug nach vorne unten. Das hilft zwar, den Sattel am Pferd zu fixieren. Jedoch wird der Sattel dadurch nach vorne unten Richtung Schulter gezogen und blockiert damit deren Bewegungsmöglichkeit.

Für den Sattelverkäufer ist eine solche Begurtung eher günstig, da sie Passformmängel, wie starkes Wippen in der Bewegung dezent kaschiert.

 

–          Und last but not least: Der Sattel ist zu eng.

Bei fast 90 % der mir gezeigten Sättel ist kein Platz für eine ausreichende Beweglichkeit des Schulterblattes vorhanden. Manchmal so wenig, dass „kein Blatt Papier“ mehr zwischen Sattel und Pferd passt.

Dadurch wird das Pferd massiv in seiner Bewegung beeinträchtigt. Denn das Schulterblatt, das bitte VOR dem Sattel liegen sollte und NICHT darunter (Ausnahme: Westernsattel!), rotiert beim Laufen mit der oberen Spitze nach hinten. Das bedeutet, der Sattel muss diese Rotation ermöglichen. Stößt das Schulterblatt aber an einem zu engen Sattel und einer zu festen Polsterung an, wird das Pferd zu keiner lockeren raumgreifenden Bewegung zu ermuntern sein. Ein Schreiten ist nicht möglich, das Pferd geht klamm.

Ein gut passender Sattel sollte über die gesamte vordere Länge gleichmäßig viel Platz lassen, so dass man mit der Hand ab der Kammer nach unten am Sattelblatt entlang durchfahren kann. Punktueller Druck ist NICHT akzeptabel.

Oft kommt hier das Argument der Sattler: „Aber der Sattel muss doch irgendwo aufliegen!“ Das ist richtig, aber bitte nicht genau da und schon gar nicht punktuell! Das zu berücksichtigen IST möglich. Die praktische Umsetzung ist dann in der Tat Aufgabe der Fachleute.

 

Sind alle vorgenannten Punkte erfüllt, geben sich viele zufrieden. Der Sattel passt – Hurra!

Rein technisch tut er das vielleicht. Ich gehe aber noch einen Schritt weiter und frage den, der mit dem guten Stück herumlaufen muss: Das Pferd!

Ein Pferd darf sich in der Qualität seiner Bewegung mit einem Sattel auf dem Rücken nicht verschlechtern. Optimalerweise hilft ein gut passender Sattel dem Pferd sogar, sich positiv zu bewegen.

Um eine Aussage darüber treffen zu können, wie der Sattel die Bewegung des Pferdes beeinflusst, schaue ich zunächst das Pferd ohne Sattel an der Longe an. Wie bewegt es sich? Ist die Vorhand frei und greift weit nach vorne? Schwingt der Rücken? Tritt die Hinterhand zum Schwerpunkt? Ist das alles nicht der Fall, muss ich die genannten Punkte erst durch entsprechendes Training korrigieren. Vorher kann ich kein abschließendes Urteil über einen  Sattel abgeben. Denn nur, weil das Pferd MIT Sattel genauso schlecht läuft wie OHNE, heißt das noch nicht, dass der Sattel passt.

Bewegt sich das Pferd ohne Sattel zufriedenstellend, wird nochmals mit Sattel aber ohne Reiter (dieser kann die Bewegungsfähigkeit auch beeinflussen) longiert. Sind hier selbst kleinste negative Veränderungen in der Bewegung sichtbar, fühlt sich das Pferd mit dem Sattel NICHT wohl und man muss versuchen, die Ursache zu finden.

Der gern genommenen Satz „Für dieses Pferd gibt es den optimal passenden Sattel nicht!“, hat seinen Ursprung oftmals in Bequemlichkeit und mangelnder Kompetenz. Ich würde mich nicht damit zufrieden geben, dass ein Pferd mit einem Sattel offensichtlich schlechter läuft.

Im Zweifel ist es nötig, einen Maßsattel anfertigen zu lassen, um einer unglückliche Sattellage gerecht zu werden. Aber auch da ist Vorsicht geboten. Die Werbeversprechen sind wohlklingend, man hat einen internationalen Kundenkreis, lange Wartezeiten wegen der hohen Nachfrage und jahrzehntelange Erfahrung im Sattelbau.

Erst letzte Woche wurde ich Zeuge, wie der Mitarbeiter einer renommierten Maßsattlerei aus dem Berliner Raum beim Kunden war, um die Passform zu kontrollieren. Der Sattel wurde am stehenden Pferd begutachtet und als „perfekt“ bewertet. Der zu weit hinten liegende Schwerpunkt wurde ebenso wenig bemängelt, wie die viel zu enge Kammer oder das nicht gleichmäßig aufliegende Polster. Da der Sattler das Problem nicht verstehen wollte oder konnte, wurde das Pferd vorgeritten. Es zeigte mit dem Sattel deutliche Taktstörungen schon im Schritt und ist dem Reiter unterm Allerwertesten weggelaufen. Mit einem anderen Sattel, der nicht auf das Pferd angepasst war, ging das Pferd sofort taktklar und in ruhigem Tempo.

Noch heute bin ich mir unschlüssig, welche der Aussagen des Sattlers ich als die größte Frechheit einstufen würde: Den Satz, er habe eigentlich keine Zeit, um sich das Pferd unterm Sattel anzusehen, die Aussage, er könne nicht erkennen, dass das deutlich taktunrein gehende Pferd mit dem andern Sattel viel besser läuft oder die Information, er würde den Sattel mit in die Werkstatt zum Chef nehmen (der den Sattel auf diesem Pferd nie gesehen hat), was aber noch mindestens 14 Tage dauern würde, da er vorher nicht in die Hauptgeschäftsstelle fahren würde…Ein toller Service, all inclusive beim 4000 EUR-Maßsattel!!

Ich kann nur jedem Pferdebesitzer den Rat geben: Vertraut nicht blind irgendwelchen Experten! Stellt kritische Fragen und hört genau auf Euer Pferd. Das kann am besten beurteilen, ob (ihm) der Sattel passt.

 

Bericht vom Centered Riding-Symposium – Teil 2

Am Sonntag ging das Symposium zunächst im Hörsaal weiter. Ein Professor der Uni Wien, Prof. Dr. Christian Peham, hielt einen Vortrag über die von ihm geführten Studien über die Biomechanik des Pferdes und deren Beeinflussung durch den Reiter und die Ausrüstung.
Interessant waren vor allem seine Ausführungen über die Passform der Sättel. Zu sehen ist in dem folgenden Bild, dass ein zu weiter Sattel (im Bild rechts) die negativsten Auswirkungen für das Pferd hat. Die Druckspitzen neben der Wirbelsäule sind hier am höchsten. Beim zu engen Sattel hingegen (Bild, Mitte) entstehen primär vorne und hinten Druckspitzen, während der mittlere Sattelteil hohl liegt.


Weiter führte er aus, dass die Verwendung von Pads verschiedenster Materialien einen nicht passenden Sattel kaum bis gar nicht ausgleichen kann. Lediglich mit einem Lammfell könne man marginale Verbesserungen erzielen, die einen nicht passenden Sattel aber immernoch nicht zu einem passenden machen.

Auch seine Erklärung, dass der Reiter im Trab mit seinem 2-fachen und im Galopp gar mit seinem 3-fachen Körpergewicht auf das Pferd einwirke, regte zum Nachdenken an (vor allem mit den Ergebnissen der zuvor erläuterten Studien zur Sattelpassform im Kopf).
Der Professor vertrat im Übrigen die Auffassung, dass sich Lahmheiten in einem Vorderbein stets auch auf das diagonale Hinterbein und damit oftmals auf das Kreuzdarmbeingelenk auswirken – eine Theorie, die ich bereits bei Familie Schöneich gehört hatte.

Die restliche Veranstaltung fand dann in der Reithalle statt. Eckart Meyners, der Spezialist für Sitzkorrekturen bei Reitern, war erschienen, um Reitern verschiedenster Sparten zu einem besseren Sitzgefühl und mehr Losgelassenheit im Sattel zu verhelfen.

Sowohl Vielseitigkeits-, Spring- als auch Dressurreiter waren zu sehen – jeweils mit unterschiedlichsten körperlichen Problemen. Herr Meyners ging auf alle Reiter individuell ein und stellte sowohl Übungen im Sattel, als auch am Boden vor. Das Publikum bezog er ebenfalls in sein Training ein, was für kollektives Gelächter sorgte, als alle 250 Teilnehmer lustige Grimassen schnitten und die Zunge rausstreckten, um die rechte und die linke Gehirnhälfte besser zu vernetzen. Aber der Effekt war verblüffend. Daher werde ich einige Übungen sicher in mein eigenes Trainingsprogramm und auch in den Unterricht einfließen lassen.

Negativ fiel leider erneut das viel zu enge Reiten gerade des letzten Dressurreiters auf. Er hatte sich wohl zum Ziel gemacht, seine Einheit zu einer Privatvorführung zu machen und schrubbte sein Pferd schon während der Einheit der Reiterin zuvor ordentlich durch die Halle. Das Pferd lief permanent viel zu eng und wurde völlig über die Uhr geritten. Die Kritik aus dem Publikum tat der Herr mit dem Argument ab, er würde sich so auf sich selbst konzentrieren, dass ihm das Aufrollen seines Pferdes nicht auffallen würde. Das mag man nun glauben oder nicht. Schön anzusehen war es jedenfalls nicht. Trotzdem keine Sache, die man Herrn Meyners anlasten könnte. Denn er war zur Sitzkorrektur eingeladen (meines Wissens nach ist er auch selbst gar kein aktiver Reiter) und hat diese Aufgabe mit Bravour gemeistert. Sein Job war es sicher nicht, dem Österreichischen Landesmeister in der Dressur zu erklären, dass die Pferdenase vor die Senkrechte gehört. Trotzdem hinterlassen solche Bilder einen negativen Beigeschmack.

Alles in allem habe ich auf dem Symposium Einiges lernen können und viele Anregungen – vor allem zum Thema Reitersitz – bekommen. Bleibt zu hoffen, dass bei künftigen Veranstaltungen die Demoreiter mit etwas mehr Bedacht ausgewählt werden. Denn Centered Riding ist zweifelsohne ein wichtiger Beitrag, um zwischen Mensch und Pferd eine harmonische Partnerschaft zu entwickeln. Ich fände es sehr bedauerlich, wenn die gezeigten Negativbilder am Lebenswerk von Sally Swift haften blieben.

Bericht vom Centered Riding-Symposium – Teil 1

Vom 05. bis 06.11. war ich in Wien beim 17. Centered Riding Symposium.
Dieses Jahr fand es das erste Mal in Europa statt, und das Programm versprach gutes Reiten und gute Vorträge.

Der Samstag startete nach der Eröffnungsansprache mit dem Programmpunkt „Visible Horse / Visible Rider“, um den Zuschauern die Knochen- und Muskelstrukturen an Pferd und Reiter veranschaulichen zu können.

Im Anschluss hieß es: Schulbank drücken im Hörsaal der Veterinärmedizinischen Universität (verdrängte Erinnerungen aus meiner Uni-Zeit wurden wach….ich hasse Hörsäle!!!)

Arthur Kottas-Heldenberg – ehemaliger Bereiter der Wiener Hofreitschule – hielt einen Vortrag zum Thema Einwirkung und Einfluss des Reiters auf die Ausbildung des Pferdes.

Er sprach viel über für mich Altbekanntes und löbliche und erstrebenswerte Trainingsgrundsätze, so zB, dass ein guter Sitz elementar für gutes Reiten ist und dass die Hand immer nachgeben müsse. Schlucken musste ich hingegen bei der Aussage „Manche Pferde müsse man eben hinter der Senkrechten reiten“. Eine Erklärung, auf welche Pferde das denn zutreffe, blieb er schuldig, und ich war gespannt, ob sich die beschriebene pferdefreundliche Ausbildung in der anschließenden praktischen Demonstration wiederfinden würde.

Insgesamt stellte er 3 Reiterinnen auf einem Niveau zwischen A und S vor. Die Reiterin auf S-Niveau ritt sehr handlastig und auch bei Pausen im Halten fiel das ständige Hin-und-her-Parieren sehr negativ auf. Eine korrekte Kopfhaltung an/vor der Senkrechten durfte man auf einem solchen Niveau offensichtlich nicht mehr erwarten, eher ein Pferd, das sich nicht losgelassen präsentierte und über die Hand auf dem Kopf geritten wurde. Den Umstand, dass das Pferd auf einer Veranstaltung mit viel Publikum gegangen ist und möglicherweise deswegen spannig war, finde ich vor dem Hintergrund irrelevant, da es sich um ein erfolgreiches Turnierpferd handelte, das Publikum gewohnt sein sollte. Die enge Einstellung des Kopfes hat Herr Kottas-Heldenberg immerhin noch halbherzig zu korrigieren versucht, jedoch zeigte die Reiterin auf seine Anweisung keinerlei Reaktion. Etwas planlos empfand ich die Arbeit an den 1er-Wechseln, da das Pferd schon die 3er-Wechsel nicht sicher sprang, Herr Kottas-Heldenberg aber trotzdem anwies: “Jetzt reite mal 1er-Wechsel und schau, wie viele ihr schafft“. Als er dann noch die Frage aus dem Publikum, ob das Pferd denn noch in positiver Spannung gehen würde, mit dem warmen Wetter zu entschuldigen versuchte (es war ziemlich kalt an dem Tag!) konnte ich das Ganze nicht mehr wirklich ernst nehmen.

Wenn ich als Trainer eine Demo halte bei einem Veranstalter, der sich den Tierschutzgedanken auf die Flagge geschrieben hat, sollte ich mir im Vorfeld Gedanken machen, welche Reiter ich dazu mitnehme- vor allem in Zeiten der nicht endenden Diskussion über Roll-Kur, Hyperflexion und jüngst die Blood-Rule. Es wäre sicher verzeihlich gewesen, hätte man Herrn Kottas-Heldenberg unbekannte Reiter unterrichten lassen, aber da es sich bei der S-Reiterin um eine langjährige Schülerin von ihm handelt, gehe ich davon aus, er hat sie aus triftigen Gründen – die mir verschlossen bleiben – für die Veranstaltung als geeignet eingestuft und deswegen ausgewählt.

Zu seiner Ehrrettung möchte ich jedoch nicht unerwähnt lassen, dass seine Tochter, die zweite Reiterin, ihr Pferd ordentlich und reell vorgestellt hat.

Den restlichen Tag konnte das Publikum in der Wiener Hofreitschule ausklingen lassen.
Im Rahmen eines Privatissimums für die Centered-Riding Instruktoren zeigen die Bereiter der Hofreitschule, darunter auch eine junge Dame, sowohl eine Einheit an der Sitzlonge als auch 3 Lipizzaner-Hengste in unterschiedlichen Stadien der Ausbildung und eine Langzügel-Vorführung.
Hier konnte ich absolut harmonisches korrektes Arbeiten mit dem Pferd sehen. Vor allem der perfekte Sitz der Reiter ließ mich doch neidisch werden. Aber der kommt auch nicht von ungefähr, sondern durch jahrelanges Training an der Sitzlonge.

Eine Führung durch die Stallungen der Hofreitschule rundete das Abendprogramm ab und ich war gespannt auf den kommenden Tag.

Mein Weg zur Schiefen-Therapeutin – Teil 2

Die letzten beiden Wochen verbrachte ich wieder bei Familie Schöneich in Bedburg-Hau, um den zweiten Teil meiner Ausbildung zur Schiefen-Therapeutin zu absolvieren.

Und wie schon im ersten Teil gab es wieder wahnsinnig viel zu sehen und zu lernen.

Einige Pferde, die ich bereits in den ersten Wochen betreut hatte, waren noch dort, so dass ich deren Entwicklung während meiner einwöchigen Ausbildungspause beobachten konnte.

Ich bin immer noch begeistert über die Ergebnisse, die bereits nach 3 Wochen Arbeit erreicht werden konnten: Ein flüssiger, leichter Bewegungsablauf hat sich bei den Pferden eingestellt. Der Rhythmus hat sich von einem nähmaschinenartigen Trab-Stakkato in ein kraftvolles, ästhetisches Schwingen gewandelt. Da ich neugierig war, ob der Unterschied auch für einen Laien erkennbar ist, habe ich eine Vorher-nachher-Videosequenz einer Nicht-Reiterin gezeigt, die nach fassungslosem Staunen nur den Kommentar „Das ist ja der Wahnsinn!“ abgeben konnte.

Wie ist es aber möglich, dass Familie Schöneich den Pferden nach nur 3 bis 4 Wochen Longentraining solche Bewegungen entlocken kann – und das bei Pferden, die vielfach bereits medizinisch abgeschrieben waren und als letzte Option vor dem Schlachter ins ARR gebracht worden sind?

Die Arbeit dort basiert auf der Erkenntnis, dass die Schiefe des Pferdes für den Großteil aller auftretender Probleme beim Pferd verantwortlich ist, seien das medizinische Erkrankungen (teilweise auch Taktunreinheiten ohne medizinisch erklärbare Ursachen) oder Probleme in der Ausbildung (Steigen, Bocken, mangelnde Rittigkeit usw.).

Woher aber resultiert diese Schiefe? Viele verstehen unter Schiefe, dass das Pferd sich nicht zu beiden Seiten gleich gut biegen lässt. Das ist zwar nicht falsch, aber erklärt nicht wirklich die URSACHE, sondern beschreibt lediglich ein Symptom.

Die Schiefe ergibt sich aus dem Umstand, dass das Pferd von Natur aus vorhandlastig ist, also der größte Teil seines Gewichtes auf der Vorhand liegt. Aber das geschieht nicht gleichmäßig, sondern ein Vorderbein fängt mehr Gewicht ab als das andere. Man könnte es daher auch das „starke“ Bein nennen, vergleichbar mit der starken rechten Hand eines Rechtshänders.

In Bewegung versucht das Pferd deshalb, mit diesem starken Vorderbein möglichst schnell wieder aufzufußen und sich so abzustützen. (Das ist für ein Pferd völlig natürlich und genetisch in seinem Bewegungsmuster verankert – also noch kein Grund, den Osteopathen zu bestellen, um das zu therapieren.) Besonders deutlich wird dies, wenn das Pferd auf einem Kreisbogen läuft. Es kommt in Schräglage, die starke Vorhand wird überlastet und die Hinterhand muss gegensteuern. (vgl. die Bilder auf meiner Homepage in der Rubrik „Lehrinhalte-Gymnastisches Longieren“ http://www.evolution-der-reitkunst.de/lehrinhalte/longieren.html). Stress wegen der permanenten Balance-Probleme kommt hinzu. Durch den Versuch, das starke Vorderbein möglichst schnell abzusetzen, wird die Bewegung der Vorhand gehemmt, der gesamte Rumpf sinkt ab, und ein nach oben schwingender Rücken wird für das Pferd unmöglich. Der nach oben schwingende Rücken ist jedoch die Grundvoraussetzung dafür, dass ein Pferd den Reiter tragen kann, ohne dadurch gesundheitliche Schäden zu erleiden.

Zur Verdeutlichung zwei Bilder von Zasca:

Im ersten Bild sieht man, dass er seine Vorhand „festgestellt“, quasi in den Boden gerammt hat. Der Kopf ist hochgerissen, der Unterhals hebelt den Hals nach oben und der Rücken hängt sehr stark nach unten durch. Hier liegt die Ursache für die sog. Kissing Spines.

Im zweiten Bild hat Zasca die Vorhand deutlich angehoben. Das ist dadurch möglich, dass er sein Gewicht von der Vorhand auf die Hinterhand verlagert hat (zu erkennen an der sehr guten Hankenbiegung). Der Hals ist zwar ebenfalls stark aufgerichtet, aber nicht über die Unterhalsmuskulatur, sondern als Resultat der Anhebung der Schultern. Die Rumpf und der Rücken sind ganz deutlich angehoben (dieser Rücken ist tragfähig!) und das ganze Pferd wirkt geschlossener und kompakter.

Jetzt wird vielleicht klarer, warum heute so viele Pferde mit (medizinischen) Problemen zu kämpfen haben. Sie sind schlicht nie gerade gerichtet worden. Da das Geraderichten aber ein Element der klassischen Skala der Ausbildung und daher offensichtlich keine unbekannte Größe ist, lässt das nur den Rückschluss zu, dass es weitläufig am nötigen Wissen mangelt, die Schiefe des Pferdes durch methodisches Training zu beheben.

Familie Schöneich verfügt über dieses Wissen und hat daher mit ihrer Arbeit so viel Erfolg. Ich bin sehr froh und auch stolz darauf, dort lernen zu dürfen. Nicht zuletzt, weil ich mich dort auch persönlich sehr gut aufgehoben fühle. Offene Fragen werden immer beantwortet. Der Unterricht ist präzise, lässt mir jedoch auch die nötige Freiheit, meine eigene Kreativität in der Longenarbeit zu entwickeln.

Auf die Fortsetzung im nächsten Jahr freue ich mich jetzt schon!